In einem kürzlich im International Journal of Emergency Services veröffentlichten Aufsatz zeigen Mitchell und Lewis (2017) die ethische Notwendigkeit evidenzbasierter Entscheidungspraxis in der Polizei auf. Den Autoren zufolge hat sich die Polizeiforschung als wissenschaftliche Disziplin in einem solchen Ausmaß etabliert, dass für Entscheidungen auf institutioneller Ebene, wie z.B. das Erarbeiten und Implementieren von Verfahrensvorschriften – die ethische Verpflichtung besteht – in Einklang mit dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu treffen. Dabei ziehen sie den Vergleich mit der evidenzbasierter Medizin, wo Entscheidungen und Anwendung von Verfahren, die nicht wissenschaftlich gestützt sind und welche die Individualität der Person der Patientin/des Patienten nicht in Betracht ziehen, als unethisch verstanden werden.
Die Verpflichtung der Medizin, Entscheidungen auf Grundlage jüngster, einschlägiger Forschungsergebnisse zu treffen, garantiert den Berufstätigen in ihrem Wirkungsbereich das Vertrauen der Öffentlichkeit und verleiht ihnen Legitimität. In Anbetracht steigender Unzufriedenheit der Öffentlichkeit mit der Polizei in vielen Ländern, sehen Mitchell und Lewis die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels von eminenzbasierter zu evidenzbasierter Polizeiarbeit. In Analogie zur evidenzbasierten Medizin verlangen die Autoren vom Polizeimanagement, wissenschaftlich fundierte Ansätze zu wählen, die sowohl beim polizeilichen Gegenüber als auch in der Öffentlichkeit und unter Polizeibeamten den geringstmöglichen Schaden anrichten. Darüber hinaus verlangt evidenzbasierte Polizeiarbeit die fortgesetzte Evaluierung getroffener institutioneller Eintscheidungen und eingesetzter Verfahrensweisen auf wissenschaftlichem Standard.
Unter ihren Empfehlungen zur Umsetzung führen Mitchell und Lewis aus, wie evidenzbasierte Polizeiarbeit Bestandteil der polizeilichen Ausbildung von Beginn an sein muss, wo Polzeibeamte oft weitergeben, was Polizeibeamte vor ihnen von Polizeibeamten gelernt haben. Auch erwähnen sie die Wichtigkeit von Forschugnskooperationen zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen und Polizeibehörden sowie der Förderung polizei-interner Forschung durch sogenannte „Pracademics“, Polizeibeamte, die wissenschaftlich fundierte Verfahrensweisen identifizieren und mit wissenschaftlichem Standard evaluieren.
ProKon wurde in Antwort auf das Wissenschaftsdefizit im polizeilichen Einsatztraining gegründet. Institutionelle Entscheidungen innerhalb der Polizei, auf die sich nun auch Mitchell und Lewis in ihrer Veröffentlichung beziehen, werden oft immer noch aufgrund etablierter Best-Practices, Tradition und Polizeikultur getroffen. Mittlerweile kooperieren ProKons Polizeiforscher mit mehr als 6 Polizeibehörden in 3 Ländern, um den Wissenskörper der Polzeiforschung zu erweitern und evidenzbasierte Polizeiarbeit zu fördern.
Mitchell, R. J., & Lewis, S. (2017). Intention is not method, belief is not evidence, rank is not proof: ethical policing needs evidence-based decision making. International Journal of Emergency Services, (just-accepted), 00-00.